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Geschrieben von Biene am 19.06.2017 um 21:47:

  Tür oder Türe

Wie sagt man . . . Tür oder Türe, ich spreche hochdeutsch und sage Tür . . .

Habe mal gegoogelt und was Lustiges dazu gefunden.

Wenn der Dezember kommt, dann steht Weihnachten vor der Tür. Bei einigen steht Weihnachten allerdings auch vor der Türe. Das führt bei vielen Deutschen zu Verwirrung. Vor allem, wenn sie zum Beispiel an Bord derselben Lufthansa-Maschine ("Thüringen") sowohl den Hinweis "Bitte Tür schließen" beachten als auch der Aufforderung "Bitte Türe vorsichtig öffnen" nachkommen sollen. Wie ist es denn nun richtig? Türe oder Tür?

Tatsächlich gibt es beide Formen. Auf Hochdeutsch heißt es "Tür", ohne "e", so ist es üblich und gilt als Standard. Die Form mit "e" existiert vor allem in Mitteldeutschland. Ob der Hinweis an der Toilettentür(e) in besagter Lufthansa-Maschine allerdings bewusst mit Rücksicht auf das namensgebende Bundesland gewählt wurde, ist zu bezweifeln.

Für die Dichter und Verseschmiede in diesem Lande ist die Existenz zweier Formen indes ein Segen, denn sie erhöht die Reimmöglichkeiten. Anbei ein kleines Beispiel, nicht gerade von Goethescher Qualität, aber das Prinzip durchaus erhellend:

Vor der Türe, vor dem Tore
Warte ich auf Hannelore.
Vor dem Türchen, vor dem Törchen
Wart ich auf das Hannelörchen.
Vor dem Tore, vor der Tür
Steh ich nun seit Stunden hier.
Keine Spur von Hannelor
Wie viel Zeit ich schon verlor!
Geh ich halt nach nebenan
In die Kneipe, rein zur Tür
Wo bei einem frischen Bier
Ich genauso warten kann
Und mich besser amüsiere
Als vor Hannelörchens Türe.


st11 st11 st11 st11 st11



Geschrieben von Biene am 29.07.2021 um 20:00:

  Noch ein Türengedicht

Vier Türen

Ich starre ins webende Dämmerblau,
Daß ich meinen dunkelnden Grund erschau.
Ich muß nicht lange starren,
Denn schon steh ich in einem Kuppelbau,
In der großen schallenden Halle.
Nach Nord und Süd, Ost, West genau
Seh ich vier Türen harren.

Nur fliehn! Ich öffne die Türe rechts:
Da stöhnt ein Röcheln und Sterbegekrächz.
Ein Kranker liegt auf dem Bette.
Vier Greise stehn um die Stätte.
Der Eine umfingert den Puls und summt,
Der Zweite hält an den versiegenden Mund
Einen Spiegel. Der Dritte zeigt auf die Uhr.
Der Vierte umkrallt eine Glockenschnur.
Und abseits mit stierem Gesicht,
Steckt ein häßlicher Hurensohn
Einen riesigen Gift-Skorpion
Ins Kerzenlicht,
Daß die Flamme vor Ekel sich windet. -

Weh, wer in die Tiefe findet!

Mich retten! Ich öffne die Tür nach West:
Von braunem Licht ist die Schenke durchnäßt.
Soldaten im erdig verzundernden Rock,
Aus dem das Blut und der Kot nicht schmolz,
Schlagen Karten. Doch Einer fährt auf wie ein Stock
Und stößt bis zum Heft sein Messer ins Holz,
Die Gläser hüpfen und verschütten den Rest. -

Weh, wenn sich kein Ausweg mehr finden läßt.

Die dritte Tür ist auf getan:
Ein leises Weinen zittert heran.
Auf hohem Thron sitzt eine Schönheit weich.
In den Spiegel verloren lächelt das Weib.
Und sie schreibt mit manchem Stift
Erregende Farben in ihr Gesicht,
Und unter die Augen schwarze wissende Schrift.
Aber ein Buckliger, der bebend ihr Antlitz sog,
Weint und wäscht ihre Füße mit einem Schwamm.
Die Schöne sieht ihn nicht an.
Sie wiegt sich und eitelt ins Spiegelprangen.
Doch voll Schlamm und widrigen Wassers starrt der Trog.

Wehe! Wohin gehn wir? Wodurch schon sind wir gegangen.

Und ich reiße die letzte Türe auf:
Vor mir ist das Meer, vor mir ist das Meer.
Und mit Muscheln und Quallen zu mir hinauf
Schmelzen die Wellen zur Schwelle her. -
Ich bin gefangen vom Meer.
Aber der Atem des Ozeans
Atmet aus meinen Lungen, Stoß um Stoß,
Und die Augen werden mir schwer, -
Meerwasser-Tropfen treten aus ihnen groß.
Sturmschwalben schrillen, kreuzen, drehn,
Und wo die letzten weißen Kämme stehn
Ziehn am Horizont die geschmeidigen Schiffe heiter ...

Wer kann unsere Welt verstehn?

Die großen Schiffe ziehn weiter, die Schiffe ziehn weiter ...

Franz Werfel

QUELLE


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